Dienstag, Juni 27, 2006
Unsere Liebe Frau von Thierenbach, Oberelsaß - 2
GESCHICHTE
Wallfahrt und Priorat vom 12. bis 18. Jahrhundert.
Aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts liegen zwei entscheidende Begebenheiten vor, welche der Wallfahrt einen neuen Glanz verliehen: Die Heilung des Edelmanns von Sulz und die Stiftung des Priorates.
Es war um das Jahr 1125. Ein junger Edelmann lag in Sulz unheilbar krank. Im Verlangen wieder gesund zu werden, nahm er seine Zuflucht zu Maria in Thierenbach. Er ließ sich dorthin tragen und legte im Gebet das Versprechen ab, daß er bei Erlangung seiner Gesundheit der Muttergottes in Thierenbach alle seine Güter überlassen und sich selbst für sein weiteres Leben in den Dienst Mariens stellen wolle. Und siehe, es geschah, daß er wirklich geheilt wurde und vollkommen gesund die Gnadenstätte verließ. Aus Dankbarkeit löste er alsbald sein Versprechen ein. Er schenkte der Kirche von Thierenbach alle seine Güter, nämlich mehrere Rebstücke und ein Haus, das Kapellhaus in Sulz.
Der junge Edelmann begab sich darauf als Pilger nach Cluny, zur damals viel besuchten Wallfaht und Abtei der Benediktiner des östlichen Frankreich (von heute), und trat in den Orden des hl. Benedikt ein. Dort machte seine Heilung zu Thierenbach einen so gewaltigen Eindruck, daß der damals berühmte Abt Petrus Venerabilis daran dachte, diese Stätte bei nächster Gelegenheit aufzusuchen. Und wirklich, die schöne Lage und der gute Ruf der Wallfahrt gefilen dem Gottesmann; er beschloß daselbst ein Priorat seines Ordens zu errichten. Ein Graf Udalrich oder Ulrich (vermutlich von Eguisheim) bot sich an, den Plan auszuführen. Dank der Schenkung des geheilten Edelmanns und der reichen Beiträge frommer Pilger der Umgegend kamen Kloster und Kirche in kurzer Zeit zustande. Die Gründungsurkunde wurde 1130 unter Berthold von Neuenburg, Bischof von Basel, ausgefertigt. Es heißt darin, Kloster und Kirche seien auf Rat Petrus des Ehrwürdigen direkt der Abtei Cluny unterstellt.
Erfreut über die wunderbare Heilung ihres Mitbürgers und über die Gründung durch Cluny, wetteiferten die Bewohner von Sulz und der ganzen Umgegend in ihrer Andacht zu Maria und ihrer Freigebigkeit zugunsten des Klosters. Das ergibt sich aus einer größeren Schenkungsurkunde vom 1. Mai 1135.
Die Wallfahrt gewann an Bedeutung. Fast alle Dörfer der Umgegend verpflichteten sich, alljährlich an einem bestimmten Tage eine Prozession nach Thierenbach abzuhalten, um sich selbst und alle Ortsbewohner mit Hab und Gut dem Schutze der Gottesmutter zu weihen und ein bedeutendes Opfer zum Unterhalt des Gotteshauses zu entrichten. Die erste bemerkenswerte Prozession mit feierlichem Gelübde machte die Stadt Sulz im Jahre 1138. Die meisten der Prozessionen wurden bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts oder gar bis zur Großen Revolution beibehalten. Heute pilgern in feierichen Prozessionen nach Thierenbach außer Sulz noch Wattweiler, Berrweiler, Bollweiler, Hartmannsweiler, Wünheim und Rimbach-Zell.
Die weitere Geschichte des Klosters und der Wallfahrt von Thierenbach verlief zunächst ohne Zwischenfälle. Die Mönche lebten ihrem Berufe getreu und waren musterhaft unter der Führung ihres Oberen, des Priors. Ihre Zahl blieb gering und ist kaum über zehn gestiegen. Sie lebten arm unter sich, besonders in den langen Wintermonaten, da sie bei Schnee und Kälte von der Umwelt abgetrennt waren.
Doch wurde die kleine Klosterfamilie zeitweise von harten Prüfungen heimgesucht: Plünderung und Zerstörung infolge der Kriege, Feuersbrunst, Ausweisung mit Gefahr einer Aufhebung des Klosters, wodurch jeweils die Wallfahrt schwer benachteiligt wurde. Durch einen mutigen Beschluß des Conseil Souverain d'Alsace im Jahre 1696 blieb Thierenbach als Priorat erhalten und wurde bald durch Prior Dom Antoine Devillers neu aufgebaut; dieser war selbst durch die Gnadenmutter von Thierenbach von mehreren Leiden geheilt worden. Im Jahre 1711 war das Kloster vollendet, 1723 die Kirche.
Von da an nahm die Wallfahrt wieder einen neuen Aufschwung. Doch durfte die neue Blüte nicht bis zum Ende des Jahrhunderts andauern: die Französische Revolution brachte dem kleinen Konvent den Todesstoß. Die Mönche weigerten sich, den Eid auf die Zivilverfassung des Klerus zu leisten, und so mußten sie das Priorat verlassen. Glücklicherweise gelang es den einflußreichen Bürgern von Sulz, ganz Thierenbach in den Besitz ihrer Stadt zu bringen und zu erhalten. Auch in jener Schreckenszeit blieb die Kirche eine vielbesuchte Gnadenstätte für Einzelpilger und für Pfarreien, die in Prozessionen hinkamen. Davon zeugen noch einige Ex-voto-Bilder aus dieser Unglückszeit.
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