Die Wallfahrtsstätte in dem still-einsamen Tal, umgeben von den tannendunklen Bergen, gefiel dem Abt von Cluny. Das war so recht eine Stätte des Gebetes und der Betrachtung, abseits von jedem Hasten der Welt. Und so kam ihm der Gedanke, hier ein Clunyazenser-Priorat zu stiften. Wo könnte es besser aufgehoben sein als unter dem Schutz der Mutter der Gnaden! Auf des Abtes Veranlassung hin ließ ein gewisser Udalrich oder Ulrich (vielleicht Ulrich, Graf von Egisheim, der auch Kloster Pairis im Kaysersberger Tal stiftete (+ 1146), oder gar der geheilte Edelmann aus Sulz. (cf. Gasser p. 24.)) (wohl der erste Prior des Klosters) mit Hülfe reicher Beiträge der Gläubigen der Umgegend ein Doppelkloster für Männer und Frauen errichten (um 1130); letzteres verschwand aber bald.
Kloster und Kirche unterstanden der Abtei Cluny; zum Zeichen der Abhängigkeit entrichtete Thierenbach jährlich einen Taler Gold als Tribut an das Mutterkloster. Den Prior wählten die Thierenbacher, der Abt von Cluny bestätigte ihn; ohne die Zustimmung seiner Mönche konnte der Prior von den Klostergütern nichts verkaufen oder austauschen. (cf. Gründungsurkunde (Gasser, Thierenbach p. 21 s.)
So war nun das Priorat gegründet; mächtig blühte die Wallfahrt auf, zahlreich waren die Gläubigen, die in der Freigebigkeit wetteiferten. Besonders Sulz, das noch unter dem Eindruck der wunderbaren Heilung des Edelmannes stand, wollte der Gnadenmutter den Dank des Städtchens zum Ausdruck bringen. Es schenkte Thierenbach Ackerland, Wiesen und Wald, den "Probstwald", zu Ehren der Gottesmutter und zum Heil der Armen Seelen. Diese Schenkungsurkunde lautet in Übersetzung also: "Da das menschliche Gedächtnis bekanntlich vergeßlich ist und die alten Ereignisse durch das Auftreten neuer in Vergessenheit geraten, so tun wir durch unser Zeugnis kund, daß die Pfarrangehörigen von Sulz, Edelleuchte und Hörige, Reich und Arm, einstimmig mit Bewilligung des Bischofs von Straßburg, Gebhard (Bischof von Straßburg 1131-1342), sowie des Landgrafen Werner von Habsburg (Wernherr III. von Habsburg.), zu deren Gebiet und Schutz der Wald gehört (das Gebiet gehörte zum Obermundat des Bistums Straßburg, auf das die Grafen von Habsburg im 12. Jahrhundert das Vogteirecht ausübten. Im Jahre 1200 verzichteten die Habsburger auf alle Rechte auf dem Thierenbacher Gebiet.), dem Gotteshaus von Thierenbach zur Ehre der Gottesmutter Maria, zu ihrem Seelenheil und zum Troste ihrer Vorfahren einen Teil ihrer Rechte geschenkt haben. Zur Beglaubigung haben als Zeugen unterzeichnet: Diethelm, Priester; Hesso, Friedrich." (1. Mai 1135.)
Sieben Jahre später bestätigte Petrus Venerabilis die Gründung des Priorats; zugleich teilte er dem Priester Diethelm und den Bewohnern von Sulz ihre Einverleibung in die Gebete aller Clunyazenser, die Teilnahme der Wohltäter Thierenbachs an den Gebeten des Ordens von Cluny mit.
Der oben erwähnten Urkunde zufolge war die Andacht zu den Armen Seelen in Thierenbach damals schon bekannt. Auch hierin dürfen wir einen Einfluß Clunys sehen: der hl. Odilo, Abt von Cluny, der Vorgänger des Abtes Petrus Venerabilis, hatte eine große Liebe zu den Armen Seelen und setzte, durch eine himmlische Offenbarung erleuchtet, das Fest Allerseelen in seiner Abtei ein. So kam diese trostvolle Andacht auch nach Thierenbach, wo sie heute noch, wie selten sonst an einem Gnadenort, gepflegt wird. Von den frühsten Zeiten an war auch die Skapulierbruderschaft errichtet, durch die den Vorstorbenen Hilfe zukam.
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